Ekelkram & alte Hüte (Kuriositäten II)
Meine
Lieben!
Heute ist
mein letzter offizieller Tag als Boschlektor und in zehn Tagen fliege ich
zurück nach Deutschland. Wenn meine Rückkehr so wie die anderen wird, erwartet
mich wohl in meinem teutonischen Mutterland etwas, was die Angelsachsen „reverse culture shock“ nennen, also der
Schrecken mit der ureigenen Kultur nicht zurechtzukommen, weil man sich in der
Fremde zu gut eingelebt hat und nun das eigentlich Gewohnte mit ungläubigen
Sinnen betrachtet.
Darum nun,
als mein ZWANZIGSTER Eintrag (hipp hipp!) auf diesen Seiten ZWANZIG Absonderlichkeiten, die
in zwei Jahren für Hänschen Klein zur „Normalität“ wurden. Kleine Vorwarnung:
es wird ein bisschen eklig.
Ob Männlein
oder Weiblein, betagte Greise oder scheue Madeln, niemand ist sich hier zu Schade
im Restaurant, im Unterricht, auf der Straße oder im Büro aus den Tiefen des
eigenen Organsimus die im Halse hängenden Reste hervorzuräuspern und
vergleichsweise zielungenau auf den Erdboden zu schleudern, der so zu einem
Hindernisparcours eigener Art wird. Vorliegendes Beispiel ist der Zugabe meines
Abschiedskonzerts entnommen und legt beredt Zeugnis von der Klanglichkeit des
Räusperungsprozesses ab, wobei der Proband freundlicherweise von der finalen
Ejakulation abgesehen hat.
Tischmanieren
Ein eigenes
Kapitel, wollte ich alles erfassen vom tief ins Essen kauernder Haltung bis zu
den neben dem Geschirr sich türmenden
kleinen Häufchen aus Gräten, Knochen und Knorpeln. Ich präsentiere nur das
Glanzlicht: das Schmatzen.
Spätestens
seit dem Bestseller „Darm mit Charme“ wissen wir, dass diese Position die
gesündere ist.
Kleine
Schritte
Wo wir schon
dabei sind und ich schon in der ersten Sammlung dieser Art auf den chinesischen
Tick hingewiesen habe überall freundliche Aufforderung an Besucher und Leser zu
richten, hier nun die verständliche Bitte an Verrichter des kleinen Geschäfts.
Nach vorn ein kleiner Schritt, zur Zivilisiertheit ein großer Schritt. |
Der zivilisierte Weg braucht nur einen halben Schritt. |
Tritt einen Schritt näher und das Tröpfchen fällt nicht daneben. |
Nähere Dich der Zivilisiertheit, tritt näher beim Urinieren. |
Tritt näher beim Urinieren, nähere Dich der Zivilisiertheit. |
Wer hätte
das gedacht? Klos haben hier Hausmeister, die quasi am Klo wohnen. Beachtlich! An
vielen Orten sehe ich Pförtner, Hausmeister, Putzkräfte, die da (meist beengt)
wohnen wo sie auch arbeiten. In meinem –
nun ehemaligen – Institut bspw. gibt es
diese Haupttreppe unter der der Hausmeister mit seiner Frau und seinem Kind
lebt. Auf geschätzten 5 Quadratmetern alles was man braucht: Doppelstockbett,
Kochstelle, Rechner und Glotze. Und nach Dienstschluss das ganze Gebäude für
Dich allein…
Ein
Klassiker, den sogar die kennen, die nie in China waren. Es ist ein delikater
Snack, den es frisch oder auch eingeschweißt in vielen Variationen zu kosten
gilt. Mir wurde anvertraut, dass es nicht so sehr um den Geschmack als um den
Prozess des Abknaubelns des gummiartigen Gewebes geht. Im Gespräch kam weiterhin die Frage auf, was den wir Westler mit den Füßen machen würden, doch nicht etwa verkommen lassen oder?!?!?!
in der Feinkostabteilung |
an einer gewöhnlichen Kasse |
Stabwürstchen
Jeder Spätkauf
bietet sie an und so kommen dem Kunden beim Betreten die glücklichen Stabwurstfans
entgegen, wahlweise auch mit Maiskolben, Meeresfruchtbällchen oder Teeeiern.
Schlafanzugwandeln
Leider hier
kein Bild, aber es ist üblich vor dem Schlafen zu Duschen, sich dann schon mal
in Schlafmontur zu begeben und noch einen kleinen Spaziergang um’s Eck zu
machen…
Tanzen auf
dem Platz
Meist abends
treffen sich die älteren Damen auf einer Freifläche (z.B. hier vor meinem
Block) zu musikalischer Tanzgymnastik:
Anstehen
Nein, keine Demo, Frühlingsfestheimreiseverkehr. |
Ein schweres
Kapitel, das mit Regel 3 zum chinesischen Straßenverkehr korrespondiert. Es
wird ein chaotischer Haufen gebildet, der mit Öffnen der Tür, trotz
Hilfskräfte, die „AUSSTEIGEN LASSEN“ schreien, sofort versucht sich als Ganzes
in/aus/durch das Objekt der Begierde zu zwängen.
Dieses Verhalten ist so verbreitet, dass die Kartenschalter schwere Stahlgeländer vor jedem Schalter montiert haben, die die Kundschaft in Reihe zwingt.
Aber auch da drängelt sich immer ein
Eiligerer, Wichtigerer, Verzweifelterer an die schmale Ausgangsöffnung links,
um sein Anliegen noch vor den Anderen abzuwickeln.
beim Aussteigen |
Im Bahnhof an einem gewöhnlichen Tag. |
Dieses Verhalten ist so verbreitet, dass die Kartenschalter schwere Stahlgeländer vor jedem Schalter montiert haben, die die Kundschaft in Reihe zwingt.
wenn mal nichts los ist |
Auch ein
Klassiker, der aber nur den älteren Männern vorbehalten ist und den man nur bei
extremer Hitze und Luftfeuchtigkeit beobachten kann. Sie krempeln ihr Hemd bis
unter die Brust hoch, so, dass nur der Bauch zu sehen ist und laufen dann durch Parks und die Nachbarschaft und
genießen die frische Luft die ihre Buddhaplautze umweht.
Pflegemütter
Sie werden
hier liebevoll „Baumuhs“ genannt und sind eine ganze Armee, ein ganzer
Berufszweig. Die vielbeschäftigten Eltern buchen bei einer (Sklavenhalter-)
Agentur eine dieser Damen (vom Land), die dann meist bei der Familie mit lebt,
für sie kocht, putzt und natürlich den kleinen Schatz hütet, während Mutti und
Vati arbeiten. In Vorräumen, Lobbys und geschützten Plätzen sehe ich dann ganze
Scharen von Klein- und Kleinstkindern, die alle gut behütet und beäugt von je
einer „A-I“, einer Tante, spielen.
Ein
Standard. Das Essen kommt in Einzelgerichten, von denen alle nehmen. Damit
jeder auch an jedes Gericht herankommt, gibt es den Drehtisch. Aber aufgepasst,
hier und da ragt ein Löffel, ein Teller oder ein Topfhenkel hervor und reißt
das gute Weinglas oder die Teetasse um…
Krach
Werbung im
Fahrstuhl, Werbung vorm Fahrstuhl, vor dem Laden platzierte Stereoanlagen,
konstante Berieselung mit Hinweisen und Aufforderungen, Infofernsehen im Bus
und in der Bahn, Hupkonzerte, 24h-Baustellen und Sinfonien von iPads und
Smartphones im Lautsprechermodus. Es ist laut. Chinesische
Deutschlandrückkehrer erzählen auch oft wie irritierend die Stille in
Deutschland sei, darum fragte ich meine Studenten, ob die Chinesen Angst vor
der Stille hätten. „NEIN, wir lieben
die Stille!!“ tönte es mir entgegen. Warum dann aber alles so laut ist und sich
niemand für Stille einsetzt, konnten sie mir dann nicht erklären. Ich fragte,
wann es denn mal wirklich still sei, da sagten sie nur bei Prüfungen.
Sonnenschirme
Diesen
offensichtlichen Punkt hätte ich vollkommen übersehen, wenn mich nicht mein
Kollege aus Tschungtsching darauf hingewiesen hätte.
Die Chinesen wollen weiße
Haut haben, darum schützen sie sich mit Sonnenschirmen. Die sind, wie ihre
Mobilfunktelefonschutzhüllen, hoch individuiert mit starkem Hang zum Kitsch.
Absurde
T-shirtaufschriften
Was habe ich
nicht schon alles gelesen und wie oft habe ich schon nachgefragt, ob der Träger
wüsste welche Obszönitäten auf seinem Leibchen stehen, und wie oft wollte ich
mich schon echauffieren! Ich hab’s aufgegeben.
Straßenblitzlicht
Oh, bin ich
geblitzt worden? Nein, Nein. Warum besonders in Tunneln und anderen
vielbefahrenen Straßen diese Stroboskope installiert sind, weiß ich nicht.
Blitzer sind es nicht, ich vermute es dient dazu die Aufmerksamkeit vom Zwang
der chinesischen Verkehrsregel 2 wieder auf die Straße selbst zu lenken.
Schauen Sie die Augen d.h. die Iriden dieser, allesamt der Schönheitschirugiewerbung
entnommenen, Damen an.
Die sind nicht echt. Beim ersten Mal stieß ich auf ein moderates Exemplar, etwas größer als natürlich und tief braun. Doch die scharfen Kanten machten mich stutzig und die Trägerin war leicht beschämt, als sie zugeben musste, dass dies nicht ihre Augen seien.
Die sind nicht echt. Beim ersten Mal stieß ich auf ein moderates Exemplar, etwas größer als natürlich und tief braun. Doch die scharfen Kanten machten mich stutzig und die Trägerin war leicht beschämt, als sie zugeben musste, dass dies nicht ihre Augen seien.
Es geht aber
noch viel viel größer und mit verschiedenen Farbtönen, was auf mich – besonders
bei Schwarz – dann eher einen
Science-fiction-Eindruck macht.
Superfeine Fineliner
Hier wird so
viel geschrieben. Leistungsdruck und Prüfungsfixierung, machen kiloweise
Hausaufgaben nötig. Hinzu kommt die chinesische Schrift, die, wenn man nur 5x5mm große Kästchen zu Verfügung hat, mit ihren vielen Strichen doch recht
unangenehm werden kann. Ergo gibt es Stifte und Nachfüllmienen bis zu 0.35mm
Strichstärke im Überfluss zum Schleuderpreis in Spitzenqualität, fantastisch.
Kleines
Rätsel: im Winter Wurm, im Sommer Kraut? Parasitäres Pilzpotenzmittel aus
China? Ein Fall für den Sohn eines Pilzsachverständigen: Ophiocordyceps sinensis.
Der Pilz
befällt die im Boden überwinternde Raupe, zersetzt sie langsam und wächst dann
aus ihrem Kopf heraus bis zur Oberfläche. Dort wird er dann von Sammlern
gepflückt, vertickt und die nächste Hühnerbrühe gemischt, um gegen Tumore und
Viren vorzugehen oder dysfunktionale Schwellkörper auf die Sprünge zu helfen.
Bon Appétit!
Kommentare
Kommentar veröffentlichen