Taiwan - China ohne Probleme
Etwas mehr als zehn Jahre ist es
nun her, dass ich zum ersten Mal Asien betreten habe. Es war die Erfüllung
eines Traumes. Auf nach Taiwan für ein Jahr, jippie! Sicherlich wusste ich,
dass Taiwan die Republik und nicht die Volksrepublik China war und kannte auch
die wichtigsten Kenngrößen: polynesische Urbevölkerung, dann Portugiesen und
Niederländer, japanische Besetzung, Kuomintang, Tschiang Kai Schek, Verlust des
UN-Sitzes, Sicherheitsabkommen mit den USA etc. pp. und für einen gehörigen
Kulturschock bei der Rückkehr nach Deutschland hat die asiatische
Konditionierung des Aufenthalts schon gereicht, aber erst als ich jetzt diesen
Oktober meinen zweiten Besuch auf der Ilha Formosa, der schönen Insel, wie die
Portugiesen sie bei ihrer Ankunft nannten, antrat, überwältigten mich die
Unterschiede. Von ihnen, weiteren Eindrücken und einigen Erinnerungen möchte
ich Euch nun erzählen.
Als erstes – eingeschlagen wie
eine Bombe – der vermischte Duft von Motorrollerabgasen und Sandelholzräucherstäbchen.
Die Armada übermotorisierter Motorroller,
die einen Extra-slot vor Ampeln hat, Standgas gebend und zuckend auf Grün giert, ist immer noch dieselbe, nur eben zehn Jahre moderner und schnittiger; ebenso die grundsätzliche Einstellung zu Schutzkleidung in Kombination mit gewissen Kätzchen…
Das Glück genießend von der guten
einheimischen Freundin auf solchem Gefährt durch die Gegend kutschiert zu
werden, forderte ich den sofortigen Halt, als mir ein weiterer unverkennbarer
Geruch in die Nase stieg: Frittenfett plus angetrocknete Kotze plus Katzenpisse?
Et violá:
Stinketofu, die hiesige Spezialität! |
Außen knusprig, innen weich, Geruch: ekelhaft, Geschmack: lecker,
vollkommene Harmonie der Gegensätze, ein Schatz asiatischer Küche. Wohl bekomms!
Was für ein Beginn dieser Reise,
dachte ich. Binnen einer Stunde alles Wichtige abgehackt. Vom Feinsten! Wie wir
also so durch die Stadt cruisten, ich nostalgisch die chinesischen Langzeichen
auf den tief in die Straßen ragenden, zum Teil noch von rechts nach links
beschriftetet Firmenschilder an mir vorbeisausen ließ, drängte sich mehr und
mehr der Bebauungsstil in mein Bewusstsein. Damals fand ich ihn ziemlich
monoton, einfallslos und stempelte die Straßenzüge immer als
übereinandergestapelte Schuhkartons ab.
Einziger und wichtigster Pluspunkt die Tempel, die sich in jeden noch so kleinen Zwischenraum pressen und an nahezu jeder Ecke zu sehen sind. Angesichts der Bauwut in der VR, die große Schneisen in alte Städte schlägt, schlanke Hochhäuser im Sechserpack an jede Ecke pflanzt und mit frischen Hochglanztempeln protzt, ganze Berge abträgt und riesige Flächen „entwickelt“, erschienen mir nun diese Schuhkartonkonglomerate plötzlich wie natürlich gewachsen.
Einziger und wichtigster Pluspunkt die Tempel, die sich in jeden noch so kleinen Zwischenraum pressen und an nahezu jeder Ecke zu sehen sind. Angesichts der Bauwut in der VR, die große Schneisen in alte Städte schlägt, schlanke Hochhäuser im Sechserpack an jede Ecke pflanzt und mit frischen Hochglanztempeln protzt, ganze Berge abträgt und riesige Flächen „entwickelt“, erschienen mir nun diese Schuhkartonkonglomerate plötzlich wie natürlich gewachsen.
Überhaupt ist in Taiwan alles irgendwie
kleiner und enger, dichter, niedlicher und verwinkelter. Zudem scheinen gerade die
alten Tempel absichtlich unbelassen
und atmen eine historische Stimmung. Dazu kommen noch die allenorts überirdisch
verlegten Stromleitungen,
wegen Naturkatastrophengefahr (Erdbeben und Taifune), und schon steht sie vor mir meine Hauptkomplizin der Erinnerung: Japan. Saubere, duftende, schöne Scheißhäuser, Zugtypen, Bahnübergänge, Rathausarchitektur, die Menschen bilden Reihen, befolgen Gebotsschilder, Japans Erbe war mir nie so augenscheinlich wie bei diesem Besuch.
wegen Naturkatastrophengefahr (Erdbeben und Taifune), und schon steht sie vor mir meine Hauptkomplizin der Erinnerung: Japan. Saubere, duftende, schöne Scheißhäuser, Zugtypen, Bahnübergänge, Rathausarchitektur, die Menschen bilden Reihen, befolgen Gebotsschilder, Japans Erbe war mir nie so augenscheinlich wie bei diesem Besuch.
Ein weiterer Augenblick der
Klarheit: keine Bullen. Nirgends nichts und niemand keiner. Auf dem Festland
überall Wachmänner in verschiedenen Ausführungen und immer in Uniform:
Polizist, Polizist im Dienst (gibt da eine extra Schärpe), Hauswart,
Kaufhallenkontrolleur, Taschendurchleuchter, Zebrastreifenregulator und nicht
zu vergessen: Kameras, Kameras und nochmal Kameras. Ich hatte das schon
ausgeblendet und es war mir bei der Rückkehr wieder ins Unbewusste abgerutscht,
so dass gleich in der folgenden Woche mein DDR-erfahrener Besuch mich in Peking
nochmal deutlich darauf hinweisen musste. „Guck mal, der könnte Stasi sein oder
der, oder der…“
Tja, da frage ich mich dann schon
wierum die Wiedervereinigung idealerweise wohl verlaufen sollte, wenn sie denn
kommen sollte, bin froh, dass mein Start in Asien auf Taiwan begann und bekomme
das Gefühl, dass sich dieses schnuckelige Inselchen mehr anfühlt wie eine
Schweiz als eine Provinz. Ich kenne die Schweiz nicht außer einem kurzen Besuch
in Genf und Davos. Mein aus dem Fernsehen entnommenes Vorurteil suggeriert mir
aber, sie hätten einen tieferen Grad der Entspanntheit erreicht, als – sagen
wir – ihre Nachbarn im Norden. Und auch die Taiwanesen scheinen für mich mehr
in sich zu ruhen als die von ihnen spitz „A-lang-à“ genannten, stets gehetzten
Festlandschinesen. Allein schon die scheinbar eine Oktave tiefer gelegte
Fassung ihres Hochchinesisch scheint das zu machen.
Einzige Leerstelle beim Erinnern,
die hippen Girls, die den Lastkraftwagenfahrern das Aufputschmittel „Betelnuss“
verticken, sind wohl im Aussterben begriffen. Vor zehn Jahren sah ich sie noch
alle zwei Kilometer in ihren engen Leibchen, in ihren empörenden Glashäusern
sitzen und von Hand die Früchte präparieren, nun nur noch sporadisch, aber das
ist glaube ich was Gutes.
So trat ich ihn also an, den
kleinen Dreisprung, wie die Taiwanesen (im Duden steht übrigens Taiwaner,
klingt mir aber zu vulgär) ihn nennen: Taiwan–Kinmen–Amoy. Mit dem
Propellerflugzeug (sanfteste Landung jemals) zur Goldtorinsel (Kinmen) und von
dort kurze vierzig Minuten mit dem Schiff zurück nach Amoy. Vier Tage Catch-upund Erinnerungsflash.
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